Zusammen Leben!
Eine grüne Vision für Bremen
Bremen ist reich, Bremen und Bremerhaven sind reich an der Vielfalt der Menschen, ihrer unterschiedlichsten Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse, ihrer unterschiedlichen Herkunft, ihres unterschiedlichen Glaubens, ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten.
Wir BremerInnen empfinden uns miteinander verbunden und von einander getrennt.
Wir sind BremerInnen, – wir sind aus Bremerhaven oder aus Bremen; wir sind aus Geestemünde oder aus Lehe, aus der Vahr oder aus dem Viertel; wir sind jung oder alt; wir fahren im Rollstuhl oder gehen zu Fuß; wir fahren Auto oder Fahrrad; wir haben zu viel oder zu wenig Arbeit; wir glauben an einen Gott oder an keinen; wir sind GSO oder Kippenberg, wir sind GENO oder freigemeinnützig; wir sind Frauen oder Männer oder beides nicht oder beides; wir sind die Kunsthalle oder eine Punkband; wir sind Weserpark oder Wachmannstrasse; wir sind uns manchmal einig und meistens nicht; wir finden unsere Nachbarn voll nett oder störend – meistens mal so und mal so; wir lieben Männer oder Frauen oder Katze oder Hund und manchmal alle; wir haben Ideen für unser Gemeinwohl oder uns ist das alles egal.
Wie wollen wir zusammen leben, mit all diesen Unterschieden und allen Gemeinsamkeiten?
Wollen wir die Unterschiede betonen, um in der Differenz unsere Individualität zu definieren? Wollen wir die Gemeinsamkeiten betonen, uns zugehörig fühlen und dann aus dem Blick verlieren, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse und individuelle Anforderungen haben?
Ich meine, wir sollen im Bewusstsein aller Unterschiedlichkeit unserer individuellen Persönlichkeiten, Bedürfnisse und Fähigkeiten gemeinsam den Weg beschreiten, Bremen zu einem Land zu entwickeln, in dem Jede und Jeder so körperlich und seelisch gesund und so zufrieden wie möglich leben kann – in einer gesunden Umwelt.
Ein Land in dem Jede und Jeder, gleich welchen Geschlechts, welcher Herkunft, welchen Glaubens, welcher körperlichen, seelischen, intellektuellen, handwerklichen, künstlerischen etc. Möglichkeiten einen eigenen Beitrag zum Gemeinwohl liefern darf und liefern soll – und sicher sein kann, dass ihr und ihm in Respekt und Achtung begegnet wird und Teilhabe sicher ist.
Ich wünsche mir ein Land in dem Einzigartigkeit und Individualität als willkommener und notwendiger Beitrag zum Gemeinsamen erkannt wird.
Ich wünsche mir ein Land in dem im Anderen – gerade auch wenn der/die Andere unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Interessen zu mir hat, wenn wir uns nicht mögen, einander gerade nicht verstehen – eine Chance zur eigenen Blickwinkelerweiterung gesehen wird; in dem um die besten Ideen fürs Gemeinwohl nachgedacht, gerungen, gestritten wird in aller Differenz, um dann zu den besten Lösungen für alle zu kommen.
Ein solches Miteinander erfordert die Kompetenz der Kooperation. Die Fähigkeit zur klugen, konstruktiven Kooperation wird oft eher im Bereich der Hoffnung auf einen Idealzustand menschlichen Miteinanders angesiedelt, als im täglichen Klein-Klein des politischen Alltagshandelns.
Nun – hier ist eine Vision gefragt und dies ist meine:
Ein Land in dem Menschen von klein auf befähigt werden sowohl vom anderen als auch von sich her zu denken – zu kooperieren, Andersartigkeit des Gegenübers als Gegebenheit zu erkennen; nicht als Angriff, sondern als Chance zur eigenen Blickwinkelerweiterung – Teilhabe jeder BremerIn an der Gemeinschaft aller, als Selbstverständlichkeit.
Gesundheit
Ich stelle mir ein Gesundheitssystem vor in dem alle gemäß ihrer finanziellen Möglichkeiten in ein Solidarsystem einzahlen (Bürgerversicherung) und aus diesem Topf der Versorgungsauftrag für die akut und chronisch Kranken, für die leichter und Schwerstkranken erfüllt wird. Dafür benötigen wir Krankenhäuser der Maximalversorgung in öffentlicher Hand. Diese kooperieren dann sinnvoll mit freigemeinnützigen Anbietern und teilen die Versorgungsaufgaben vernünftig auf.
Die Hausärztliche und Kinderärztliche Versorgung wird in enger Kooperation und Abstimmung mit niedergelassenen ÄrztInnen stadtteilbezogen gesichert.
Das therapeutische Angebot ist niederschwellig und passgenau.
Die WHO definiert Gesundheit als „einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“ und seelische Gesundheit als Ressource, auf individueller und sozialer Ebene. „Seelische Gesundheit befähigt einen Menschen, dessen geistiges und emotionales Potenzial voll zu verwirklichen und einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu können.“
Ich wünsche mir ein Land, in dem Jede und Jeder gefördert wird, sich möglichst dicht zu diesem Idealzustand hin zu entwickeln.
Diese Entwicklung fängt während der Schwangerschaft an und endet vermutlich mit dem Sterben. Sie ist entscheidend abhängig von dem Umfeld des Aufwachsens und Lebens, sowohl psychosozial, als auch bezüglich Bildungschancen, Arbeit, Ernährung, Sauberkeit der Luft, einer intakten Umwelt, Bewegung, Zugang zu Kultur und vielem mehr.
Mit der Geburt fängt alles an
Ich wünsche mir, dass Kinder sich willkommen fühlen, dass die Eltern und das Baby während der Schwangerschaft so gut begleitet wurden, dass sie sich eine natürliche Geburt zutrauen, solange der medizinische Zustand der Mutter und des Babys dies erlaubt, dass eine kompetente (und gut bezahlte) Hebamme die Geburt mit Zeit und Hinwendung begleitet.
Aufwachsen
Ich wünsche mir, dass Kinder in familiären Strukturen (mit ein, zwei, mehr Eltern, Grosseltern, Freunden…) heranwachsen dürfen in einem Gefühl des Willkommenseins und der Sicherheit, da die Bezugspersonen wissen wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, da ihre Arbeit angemessen ist und angemessen bezahlt wird, die Wohnung gesichert ist, ein Krippenplatz zur Verfügung steht, wenn dieser gebraucht wird.
Bildung
Ich wünsche mir, dass in den Schulen, Kinder gemäß ihrer Fähigkeiten, Neigungen und Besonderheiten gefördert werden, dass die SchülerInnen vielfältige Anregungen bekommen durch ein verzahntes Miteinander von schulischen und außerschulischen Angeboten, welche kulturelle, Bewegungs- und Naturerfahrungen ermöglichen. Diese Schulen machen ein Angebot für alle SchülerInnen der Region gemeinsam und in Form einer Ganztagsschule.
Ich wünsche mir ein Land, in dem der Zugang zu guter Bildung gesichert ist – für alle – unabhängig von Herkunft, Stadtteil, und individuellen Möglichkeiten. Ich wünsche mir Schulen in denen Kinder neben den klassischen Bildungsinhalten soziale Fertigkeiten wie Kooperation lernen, lernen Verschiedenartigkeit des Anderen als Bereicherung für die individuelle Entwicklung wahrzunehmen. Solch ein Lernen kann nur gelingen in einem inklusiven System.
Verkehr
Ich wünsche mir ein Land, in dem der Individualverkehr überwiegend zu Fuß, durch das Fahrrad und den ÖPNV stattfinden kann. Ich wünsche mir die Aufwertung der Quartiere, die Fußläufigkeit ermöglichen, gute Fahrradwege, gute Fußwege und einen gut ausgebauten, ökologisch betriebenen ÖPNV; dass Carsharing die Regel bei Nutzung eines Autos ist und dass der Durchgangsverkehr, Abgase und Lärm deutlich reduziert werden.
Ich wünsche mir gegenseitige Rücksichtnahme der VerkehrsteilnehmerInnen untereinander – und zwar je stärker (und gefährlicher), desto mehr Rücksichtnahme auf die Schwächeren.
Die Polizei und die Verkehrsverbände arbeiten mir den Verkehrsplaner so zusammen, dass es in Bremen keine Verkehrstoten mehr gibt.
Arbeit
Ich stelle mir ein Land vor, in dem Arbeitsprozesse so organisiert sind, dass die ArbeitnehmerInnen während ihrer gesamten Arbeitsphase produktiv und gesund bleiben und Menschen von ihrer Arbeit leben können – dafür braucht es einen gesetzlich gesicherten Mindestlohn.
Ich stelle mir ein Land vor, in dem innovative, ökologische Technik sich gerne ansiedelt, in dem die Windenergiebrache weiter gefördert wird; ein Land in dem sich die Industrie und die Wirtschaft beteiligen an der Entwicklung zu einer ökologisch, wirtschaftlich und menschlich gesunden Umwelt. Die Ansiedelung der Arbeitsplätze im Einzelhandel und im Handwerk wird gefördert.
Bremen und Bremerhaven sind Wissenschaftsstandorte. Ich wünsche mir, dass weiter viele Menschen an den Hochschulen arbeiten und lernen wollen, in der Windenergiebrache arbeiten möchten, als ÄrztInnen nach Bremen und Bremerhaven kommen wollen, als FacharbeiterInnen hier arbeiten möchten (und, und, und..), da sie wissen, dass sie hier ein Klima der Offenheit, der Vielfalt, der hohen Lebensqualität und der Kooperation finden.
Umweltschutz
Ich stelle mir vor, dass Bremen weiterhin gentechnikfreie Region bleibt und die hiesige Landwirtschaft vollständig ökologisch umgebaut wird. Der Erhalt der verbliebenen natürlichen Lebensräume steht weiter im Vordergrund – keine weitere Flächenversiegelung, sondern Renaturierung, wo immer es möglich ist. . Ein praktischer Beitrag dazu könnte der Umbau der Hochstrasse zu einem HighLinePark nach NewYorker Vorbild sein. Die Energieversorgung wird aus regenerativen Quellen gesichert. Die Ausstattung mit Solaranlagen hat flächendeckend zugenommen. Lärmquellen wie Verkehrslärm, Bahnlärm, Fluglärm etc. wurden erheblich reduziert. Die Weser wird als Lebensader der Städte wieder erfahrbar gemacht, durch Uferrenaturierung und durch die Möglichkeit an vielen Stellen im Fluss zu schwimmen. Baumschutz ist gesichert und Neuanpflanzung von Bäumen wird munter betrieben.
Ernährung
Ich wünsche mir, dass in allen öffentlichen Einrichtungen möglichst regionale Produkte und Produkte aus biologischem Landbau verwendet werden und keine Produkte aus Massentierhaltung auf den Tisch kommen. In den Kitas und Schulen lernen die Kinder sich mit Freude gesund zu ernähren. Täglich wird mindestens ein vegetarisches Gericht angeboten. Mehrere Tage sind Veggie-Day.
Kultur
Ich wünsche mir eine lebendige kulturelle Vielfalt, an der Viele teilhaben, als Akteure und ZuschauerInnen – ich wünsche mir einen frühen Zugang unserer Kinder zu Kunst im umfassenden Sinne – weil Kunst uns genau das lehren kann, was für das Zusammenleben so entscheidend ist – Respekt und Staunen über das Andersartige und Wiedererkennen des Vertrauten und somit auch Selbsterkenntnis und seelische Gesundheit fördert.
Nachbarschaft
Ich stelle mir ein Land vor, in dem Menschen unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher Hilfsbedürftigkeit sich gegenseitig unterstützen, in der Nachbarschaft und in den Quartieren, wo der dritte Sozialraum, als Raum der Begegnung und des Zusammenlebens und der gegenseitigen Unterstützung wächst. Gerade in Nachbarschaften, wo Menschen sich kennen, können die Menschen die Unterstützung bei täglichen Verrichtungen brauchen und die Menschen, denen es an Bedeutung für Andere fehlt zueinander finden. Solche Strukturen werden durch die öffentliche Hand gefördert und unterstützt.
Stadtentwicklung
Ich wünsche mir ein Land im dem die Städte für die Menschen weiterentwickelt werden, in der Wohnraum bezahlbar ist, die Häuser schön und energieeffizient sind und die Begegnung fördern, in der wenig Schadstoffe die Luft verpesten, in der wir körperlich und seelisch frei atmen können. Die Auseinanderentwicklung der verschiedenen Stadtteile wird gestoppt, indem verschiedene Wohnformen in den unterschiedlichen Stadtteilen angesiedelt und gefördert werden.
Geld
Genügend Kitaplätze, gute Schulen für alle, ein gutes Gesundheitssystem, ein guter ÖPNV, eine vielfältige Kulturlandschaft – all das (und vieles mehr) geht nur, wenn es gelingt die Bereiche des Gemeinwesens auch finanziell ausreichend auszustatten.
Ich wünsche mir eine Haltung, die die notwendige Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Vermögensbesteuerung und eine Novelle der Erbschaftssteuer als sinnvollen, vernünftigen und so auch willkommenen Beitrag zum Gemeinwohl anerkennt. Es braucht die allgemeine Erkenntnis, dass eine vernünftige Steuerpolitik, ein gutes Gemeinwesen erst möglich macht. Ich wünsche mir eine Haltung des Stolzes derer die viel zu geben haben, dass sie dieses mit Freude für das Gemeinwohl – so auch zu ihrem eigenen Wohl – tun.
ZUSAMMEN LEBEN!
Ich wünsche mir ein Bremen, in dem es uns gelingt unsere Unterschiede als Bereicherung für alle zu erkennen und einen kooperativen Austausch zu pflegen auf der Suche nach den besten Ideen für ein gesundes, grünes Bremen! Wir sollten uns auf Champions-League-Niveau messen mit Städten wie Kopenhagen, Freiburg und Portland/Oregon, Städte in denen Umweltschutz, Wissenschaft, Ökonomie und eine hohe Lebensqualität gemeinsam gedacht und gelebt werden.
Wir sind auf einem guten Weg – lasst uns fortschreiten!
Kirsten Kappert-Gonther
PS. Warum tauchen in einem Besinnungsaufsatz von mir die Worte Geschlechtergerechtigkeit, UN-Behindertenrechtskonvention, psychisch Kranke, Prävention, MigrantInnen, Vielfalt der Religionen, selbst Inklusion nicht oder nur am Rande auf?
Weil die Haltung des Textes, wie ihr gemerkt habt, all diese Themen ganz selbstverständlich inkludiert.