© Thomas Trutschel

Kulturwandel gegen Gewalt in der Geburtshilfe

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen richtet sich der Fokus auch auf die Erfahrungen von Schwangeren und Gebärenden. Schwangere sollen guter Hoffnung sein dürfen und sicher sein können, dass sie während der Geburt die bestmögliche Unterstützung bekommen. Alle sollen Zugang zu einer sicheren und gewaltfreien Geburtshilfe haben.

Zu Anfang der Corona-Pandemie sagten Expert*innen voraus, unter Pandemiebedingungen würden voraussichtlich mehr Menschen Opfer häuslicher Gewalt werden. Die Voraussage bewahrheitete sich, denn sie basierte auf einer Einschätzung gesellschaftlicher Umstände, von denen man wusste, sie würden sich unter Pandemiebedingen verschlechtern, wie der Isolation von Betroffenen zuhause und den Hürden beim Zugang zu Hilfsangeboten und deren unzureichender Verfügbarkeit.

Ebenso stellt sich in der Geburtshilfe die Frage, was es für die Schwangeren bedeutet, wenn sich durch Corona problematische Rahmenbedingungen in der Geburtshilfe, die schon vor der Pandemie vielerorts bekannt waren, verschlechtert haben. Die meisten Gebärenden werden in Deutschland gut, fachkundig und wertschätzend begleitet. Leider gibt es aber auch Berichte über andere Erfahrungen. Auch vor diesem Hintergrund warnten Eltern-, Hebammen- und Ärzt*innenverbände vor dem Verbot von Begleitpersonen zur stationären Geburt: Eine ohnehin schon angespannte Personalsituation verstärkt durch coronabedingte Engpässe würde manche Gebärende zeitweise ganz auf sich selbst gestellt lassen. Inzwischen wurde klargestellt, dass selbstverständlich eine vertraute Person die Gebärende auch unter Pandemiebedingungen begleiteten darf. Eine vertraute Person gibt Halt und Sicherheit und kann gegebenenfalls die Fachkräfte informieren, wenn schnelle fachliche Hilfe notwendig ist.

Neben dem Alleingelassen-Werden machen leider Gebärende immer wieder während der Geburt Erfahrungen mit der Durchführung fragwürdiger Routinen wie Bewegungseinschränkungen, mit medizinisch nicht indizierten oder ohne Einverständnis durchgeführter Untersuchungen und Interventionen, dem verordneten Verzicht auf Flüssigkeit oder Nahrung oder einem abwertenden Umgang.

Gewalterfahrungen von Gebärenden gibt es dort, wo ihre Bedürfnisse und Selbstbestimmung nicht im Zentrum stehen. Dagegen hilft ein Kulturwandel in der Geburtshilfe. Ein Kulturwandel gestützt von strukturellen Rahmenbedingungen, die eine gute Betreuung garantieren. Qualitätskriterien, die – über Mortalitäts- und Morbiditätsfaktoren hinaus – situativ und langfristig die Erfahrungen und das Wohlbefinden von Schwangeren, Gebärenden, Müttern, Vätern und Kindern in den Blick nimmt, sind hierbei essentiell. Eine dichte Personaldecke und die Entlastung der Hebammen von fachfremden Aufgaben sind die Grundlage dafür, dass Hebammen sich intensiv der Gebärenden zuwenden können und Wünsche, Nöte und Bedürfnisse auch gehört werden. 

In unserem Antrag „Für einen Kulturwandel in der Geburtshilfe – Frauen und Kinder in den Mittelpunkt“ fordern wir Grünen im Bundestag neben der Personalaufstockung und der Entwicklung von Qualitätskriterien, dass neue Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt in der Geburtshilfe geschaffen bzw. die Nutzung bereits existierender Melde- und Anlaufstellen für Betroffene sichergestellt wird.  Zudem wollen wir Forschung zu Gewaltprävention und traumasensibler Geburtshilfe fördern, speziell auch im Rahmen der Förderung einer erstarkenden Hebammenwissenschaft.

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