Über ein Jahr nach der Verabschiedung weitreichender gesetzlicher Regelungen zur Stärkung der Organspende wird das Potential der Spendebereitschaft in Deutschland immer noch nicht voll realisiert. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf meine kleine Anfrage hervor.
Das A und O für die Verbesserung der Organspenderate sind die Strukturen in den Kliniken. Dass die gesetzlichen Vorgaben bis heute nicht umfassen umgesetzt werden, ist mehr als unbefriedigend. Die Erhöhung der Organspenderate zeigt, dass die Strukturreform grundsätzlich der richtige Weg ist. Die Bundesregierung muss nun deutlich mehr Engagement aufbringen, um den positiven Trend zu verstärken.
Angesichts der vielen Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan darf sich die Bundesregierung keine weiteren Verzögerungen erlauben. Wir brauchen optimal aufgestellte und entschlossen agierende Entnahmekrankenhäuser allerorts. Für notwendige Nachjustierungen müssen die gesammelten Daten öffentlich transparent ausgewertet werden.
Viele Entnahmekrankenhäuser sind immer noch nicht gut genug aufgestellt, um der Aufgabe, jede Organspender*in zu identifizieren und zu melden, gerecht zu werden. Dabei ist die Identifizierung und Meldung potenzieller Spender*innen die entscheidende Größe, um mehr Organspenden zu realisieren und somit die Organspenderate signifikant zu verbessern.
28 Prozent der 1169 Entnahmekrankenhäuser, von denen Informationen vorliegen, haben keine gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensanweisung zu personellen Zuständigkeiten und Handlungsabläufen für die Organspende. 7 Prozent haben entgegen der Gesetzesvorgaben bisher keine(n) freigestellte(n) verantwortliche(n) Transplantationsbeauftragte(n). Nur 65 Prozent geben an, ein Computerprogramm zur Dokumentation und Analyse von potentiellen Organspender*innen zu nutzen. Von insgesamt 1230 Entnahmekrankenhäusern erhalten 12 Prozent wegen fehlender oder unvollständiger Meldung an die Deutsche Stiftung Organtransplantation keine Mittel für die Freistellung von Transplantationsbeauftragten.
Nicht zu entschuldigen ist, dass das Transplantationsregister immer noch nicht die Daten von allen Wartelistenpatient*innen und Organspendeempfänger*innen umfasst. Vorhandene Daten bleiben ungenutzt. Wie sollen Länderbehörden und andere Institutionen mit Verantwortlichkeit für die Qualität der transplantationsmedizinische Versorgung ihre Aufgaben erfüllen, wenn sie erst im Mai 2020 gefragt wurden, welche Daten aus dem Register sie hierzu benötigen? Dass die Bundesregierung es nicht für notwendig hält, Einrichtungen mit der Veröffentlichung regelmäßiger wissenschaftlicher Auswertungen der Registerdatenzu beauftragen, ist enttäuschend. Durch die Übermittlung von Daten an Länderbehörden und andere Institutionen allein entsteht noch kein grundsätzlicher Erkenntnisgewinn zur Qualität der Organtransplantation in Deutschland. Das betrifft beispielsweise die Erfahrungen der Empfänger*innen von Spenderorganen. Manche Fragen stellt die Regierung erst gar nicht. So z.B. werden Angehörige von Organspender*innen anscheinend nur nach ihrer Erfahrung mit Angehörigentreffen, nicht aber nach ihrem Bedürfnis nach anderen Formen der Unterstützung gefragt.
Ich erwarte deutlich mehr Engagement seitens der Regierung, die erforderliche Strukturreform umfassend umzusetzen.
Hier kann die Antwort der Bundesregierung heruntergeladen werden:
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