© Thomas Trutschel

Entwicklung des Frauenanteils in der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen

Zwei Jahre nach der ernüchternden Erkenntnis, dass die gläserne Decke im Gesundheitswesen so dick ist wie in den DAX-Konzernen, gibt es zwar mehr Bewusstsein für diese Schieflage, doch getan hat sich noch viel zu wenig. Weniger als 10 Prozent der Vorstandsmitglieder der zehn größten gesetzlichen Krankenversicherungen sind Frauen. Dabei versichern diese Kassen 50 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Versicherten sind Frauen. Auf Bundesebene hat keine der Berufskammern einen paritätisch besetzten Vorstand. Auf Landesebene werden etliche Kammern von zwei oder mehr Männern – und keiner Frau – geführt. Selbst im Vatikan sind mehr Frauen anzutreffen, als in manchen Spitzengremien des Gesundheitswesens.

Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass jede Frau, die auf einen Mann in einer Führungsposition im Gesundheitssystem folgt, weiterhin Aufsehen erregt. Den Weg zu Diversität und einer angemessenen Repräsentanz von Frauen in Entscheidungspositionen legen wir viel zu langsam zurück. Es ist nicht nur ungerecht, sondern unklug, die Expertise von Frauen nicht umfassend zu nutzen. Noch immer geht die medizinische Forschung und Lehre von männlichen Normkörper aus, zum Nachteil aller Anderen. In hauptsächlich mit Männern besetzten Gremien rücken bei Neubesetzungen oft Männer nach. Gerade lukrative und öffentlichkeitswirksame Positionen sind weiterhin hauptsächlich von Männern besetzt. Nur zwei der größten Krankenkassen haben ein frauenspezifisches Förderprogramm. Viele Institutionen im Gesundheitswesen haben nach wie vor quasi ein Schild mit der Aufschrift „Frauen bitte draußen bleiben“ vor der Chefetage aufgehängt. Der heutige Equal Pay ist ein guter Anlass diese Schilder endlich abzuhängen.

Die strukturelle Benachteiligung von Frauen und mangelnde Diversität im Gesundheitssystem rücken zunehmend in den Fokus. Bei der Initiative „Spitzenfrauen Gesundheit“ kommen Frauen aus allen Bereichen des Gesundheitssystems zusammen, um eine geschlechtergerechte Verteilung von Entscheidungspositionen und eine geschlechtersensible Gesundheitsversorgung zu fordern. Ein Antrag der grünen Bundestagsfraktion zeigt auf, wie die Bundespolitik die Weichen stellen muss. Es muss verbindliche Quoten für Sozialwahlen und Gremienbesetzungen geben. Unsere Abfrage zeigt aber auch, dass manche der Körperschaften der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem sich mit Maßnahmen zur Frauenförderung auf den Weg gemacht haben. Gesetzliche Quotenregelungen wurden kürzlich für Entscheidungsgremien der Medizinischen Dienste und des GKV-Spitzenverband eingeführt. Das sind ermutigende Aufbruchssignale.

Die Bundesregierung hat endlich anerkannt, dass wir es uns nicht leisten können, die Expertise von Frauen im Gesundheitswesen systematisch ungenutzt zu lassen. Darauf müssen jetzt Taten folgen. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in den Entscheidungsgremien des Gesundheitssystems ist ein Muss für eine Gesundheitsversorgung, die allen Menschen unabhängig vom Geschlecht gerecht wird.

Zur Antwort der Bundesregierung auf meine parlamentarische Anfrage geht es hier.

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