Am vergangenen Sonntag war ich als parlamentarische Beobachterin im Hambacher Wald im Einsatz. Als ich irgendwann einfach nur noch nass bis auf die Knochen war und in meinen Schuhen das Wasser bei jedem Schritt zwischen meinen Zehen hoch kam, hatte ich zugegebenermaßen etwas Distanz zu der Aktion Waldspaziergang im Hambacher Wald. Einen Blick in die Bäume später, war ich aber wieder sehr einverstanden damit, dass ich am gestrigen Sonntag aus Bremen nach Buir, nahe Köln gefahren war. Der Hambacher Wald ist seit Jahren ein Symbol für den friedlichen Protest für Klimaschutz. Und die Krater des Braunkohletagebaus sind ein Sinnbild für eine rückwärtsgewandte, klimafeindliche Politik. Nun habe ich es also gestern mit allen Sinnen erlebt, den Wald, den Protest, die Stimmung, die Schönheit, die Solidarität. Ja, da komme ich ins Schwärmen. Der Wald, ein lebendiger Mischwald ist wunderschön. Viel ist nicht mehr übrig, nur noch ca. 2×3 km. Im Wald verstreut verschiedene Baumhausdörfer. Wunderschön, wie die Häuser in den Baumwipfeln schweben. Friedlich, freundlich. Die Freundlichkeit fiel mir gestern sehr auf und ich fand sie außerordentlich wohltuend. Die Freundlichkeit untereinander.
Etwa 8.000 Menschen sind gestern durch den Wald spaziert und haben erneut den Aktivist*innen ihre Solidarität gezeigt und ein klares Zeichen für Klimaschutz gesetzt. Ich habe kein gehetztes oder unfreundliches Wort gehört. Dabei fing es schwierig an. Genau die S-Bahn, die zur passenden Zeit von Köln in das kleine Örtchen Buir fahren sollte, fiel aus. Der Lokführer war angeblich erkrankt…aha. Ich fuhr mit dem Bus der Grünen aus Köln in den Wald. Plötzlich bremste der Busfahrer und rief aus dem Fenster: Wollt ihr mit? Eine kleine Familie, das 10monatige Kind in einer Rückentrage, lief durch den Regen. Ja, sie wollten gern mit. Weil die S-Bahn ausgefallen war, hatten sie sich zu Fuß auf den Weg gemacht. Für uns, die wir zu viert unterwegs waren, ereignete sich auch so ein kleines Wunder auf dem Rückweg. Völlig durchgefroren waren wir auf dem Weg zur S-Bahn, als ein Mann gerade als wir an ihm vorbei gingen, fragte: nach Köln? Ich habe Platz für vier. Udo baut eigentlich Bio-Weihnachtsbäume an und fuhr uns direkt bis zum Kölner Hauptbahnhof.
Freundlichkeit und Solidarität, wohin ich schaute. Auch später im Wald, Alte und Junge, gut zu Fuß und auf Krücken, mit Kindern in Wägen und in Tragetüchern. Nach ein paar Stunden im Wald, klangen die Polizeiwagen besonders laut. Als sie noch ihre Martinshörner anmachten, obwohl sie im Schritttempo neben den Spaziergänger*innen auf dem Rückweg zum S-Bahnhof herfuhren, war es ohrenbetäubend. Aktivist*innen erzählten mir, dass nachts nun grelle Scheinwerfer auf ihre Baumhäuser gerichtet würden und aus Lautsprechern die Geräusche von Kettensägen schallen. Das Ziel ist klar: Zermürbung. Am Sonntag war die Stimmung kraftvoll-friedlich. Seit Montag werden Baumhäuser geräumt und abgerüstet. Ich hoffe immer noch darauf, dass Vernunft eingekehrt und das noch verbliebene Stück des Hambacher Waldes überleben darf. Wir werden aus der Kohle in Deutschland aussteigen. Da bin ich ganz sicher. Wenn der Wald dennoch vorher noch gerodet würde, wäre er verloren. Was bleiben wird, so oder so, ist die Kraft und die Schönheit der Solidarität.
Ich habe großen Respekt vor den Aktivist*innen, sie tun das für uns alle. Zu emotional, zu kitschig? Kann sein, so habe ich es Montag unter den Eindrücken meines Tages im Wald geschrieben und so empfinde ich es noch immer.
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