Vom 6.-9. Februar nahm ich als Mitglied der deutschen Delegation für die Bundestagsfraktion der Grünen an dem „National Prayer Breakfast“ in Washington, D.C. teil. Einmal im Jahr laden die Mitglieder des Kongresses der Vereinigten Staaten zu dieser Gelegenheit auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages zum Zwecke des interreligiösen Dialogs ein.
Herzstück der Reise sollte das gemeinsame Frühstück mit dem Präsidenten sein. Das war auch aller Rede wert. Vorweg: mindestens so eindrucksvoll waren für mich die vielen Begegnungen Drumherum. Menschen aus 140 Nationen, verschiedenster Religionen und sehr unterschiedlicher politischer Positionen kamen zusammen.
Am dritten Tag fand das jährliche „National Prayer Breakfast“ statt. Traditionell nimmt der amtierende Präsident teil und hält eine Rede. Dieses Jahr also Donald Trump. Die Rede wurde gespannt erwartet, nicht nur von den Teilnehmenden aus der ganzen Welt, sondern auch von der amerikanischen Bevölkerung an den Fernsehbildschirmen. Ich saß etwa zehn Meter von Trump entfernt. Rechts neben mir ein syrischer Mann der dortigen christlichen Minderheit, links neben mir ein republikanisches Ehepaar – er hatte Trump gewählt, sie nicht. Die Rede Trumps war erschütternd schlecht. Ich war erschrocken, wie schwach er war. Ich hatte erwartet, dass es eine Rede würde, die mir inhaltlich nicht gefällt, aber ich hatte mit Power und einer politischen Positionierung gerechnet. Beides war nicht der Fall. Er reihte einen Allgemeinplatz an den anderen und erwartete nach jedem Satz Applaus. Der kam dann auch, allerdings sehr schleppend.
Der Trump-Unterstützer neben mir klatschte hingegen sehr beflissen. Trump bedauerte die armen Menschen in den USA, die drei Jobs machen müssen, um ihre Kinder zu ernähren und forderte die Versammlung auf, für sie zu beten. Ich habe meinen Glauben immer anders verstanden: als Aufforderung, eine soziale und gerechte Politik zu machen. Bizarr wurde es auch bei Trumps einzigem Ausflug in die internationale Politik. Er behauptete, die USA habe in Syrien Frieden gestiftet und sei daher das Licht im Nahen Osten – den Syrer neben mir hielt es kaum auf dem Stuhl als er ausrief: „Das ist eine Lüge.“ Für mich war das ein äußerst beunruhigender Eindruck: der amerikanische Präsident schwach, überfordert, effektheischend.
Der staatliche Auslandsrundfunk „Deutsche Welle“ hatte mich gebeten, die Rede am selben Nachmittag zu kommentieren. Ich war ganz auf Radio eingestellt und dann doch etwas aufgeregt, als ich mich plötzlich im Fernsehstudio mit dem Weißen Haus im Hintergrund wiederfand. Ich habe mich bemüht, diplomatische und dennoch klare Worte zu finden. Als ich wenige Minuten später in mein Twitter-Account guckte, wurde mir angezeigt „Trump folgt dir jetzt.“ Oha.
Richtig gut waren meine Gespräche und Kontakte vor und nach dem Frühstück. An einem Abend hatten die Grünen in Washington zu einem „Sofa-Talk“ eingeladen. Die Resonanz war groß und die Diskussion klug und relevant. Die Teilnehmenden beschrieben ein tief gespaltenes Land, betonten die ständige Notwendigkeit Minderheiten- und Frauenrechte zu verteidigen. Aber sie verwiesen auch auf die Wiederbelebung der politisch aktiven Zivilgesellschaft. Überall werde über Politik gesprochen; die Sorge zwar groß, der Wille, der Administration Vernunft und progressive Positionen entgegenzustellen, aber größer.
Das fand ich sehr ermutigend. Ebenso wie mein Treffen mit der Feministin und führenden pro-choice-Aktivistin Julie Burkhart. Sie arbeitet beständig für ein gutes medizinisches Angebot für Frauen, insbesondere für den Zugang zu medizinisch ordentlichen Schwangerschaftsabbrüchen. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist in den USA fest verbrieft – anders als bei uns übrigens, wo der Paragraf 218 immer noch Teil des Strafgesetzes ist und Frauen nur unter bestimmten Bedingungen straffrei abtreiben dürfen. Hier wie dort versucht aber die religiöse Rechte, die reproduktiven Selbstbestimmungsrechte von Frauen einzuschränken. Julie und ich waren uns einig: ohne reproduktive Selbstbestimmung gibt es keine Gleichberechtigung.
Ich habe eine Reihe von Evangelikalen Republikanern kennengelernt, zumeist zwar reizende Menschen, aber politisch und moralisch vollständig anders positioniert als ich. Über diese Kontakte habe ich mehr darüber gelernt, wie ein Mann wie Trump überhaupt gewählt werden konnte.
Meine Gesprächspartner*innen der amerikanischen Demokraten waren aufgrund der aktuellen Situation eher verzweifelt. Während meines Besuches wurde öffentlich, dass zwei Mitarbeiter im Weißen Haus – der eine Trumps Redenschreiber, der andere Trumps Stabssekretär – massiv gewalttätig gegenüber ihren (Ex-)Frauen geworden sind. Was tat Präsident Trump? Er verteidigte die Männer und hatte kein Wort für die Frauen übrig. Die soziokulturellen Konsequenzen sind tragisch: Der Präsident bekleidet in den USA ja nicht nur das höchste politische Amt, sondern ist für gewöhnlich auch eine große moralische Instanz. Mein New Yorker Freund sagte: „Üblicherweise ist der Präsident ein Vorbild für unsere Kinder. Jetzt müssen wir ihnen sagen, werdet bitte in allem genau das Gegenteil.“
Trotz aller Ohnmachtsgefühle werden die progressiven Kräfte nicht müde aktiv zu sein, sich einzumischen. Das ist toll und ermutigend. Aus meiner Sicht sind das unsere Verbündeten. Und während ich zwei Tage mit meinen amerikanischen Freunden in New York City verbrachte, habe ich wieder ganz deutlich gespürt: das ist ein tolles Land, mit ganz tollen Leuten! Sie haben mir immer wieder gesagt: „Bitte kommt, besucht uns, lasst uns nicht allein mit unserer Scham über diesen Präsidenten.“ Wird gemacht. Und die meisten waren auch sicher: „Bei der kommenden Midterm-Election werden die Demokraten gewinnen.“ Ich hoffe, diese Stimmen behalten Recht.
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