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Gastbeitrag für den Weser Kurier: „Es entsteht mehr Wahlfreiheit, Solidarität und Wettbewerb“

Es ist ein Jammer, dass die Union rein gar keinen sinnvollen Schritt in Richtung Bürgerversicherung zulässt. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beruht auf einem wertvollen Prinzip: Starke stehen für Schwächere ein, Gesunde für Kranke und Junge für Alte. Das ist nicht nur gut für jeden Einzelnen, sondern auch für den Zusammenhalt in unserem Land.

Doch dieses System hat einen entscheidenden Mangel: Bislang müssen vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen die Lasten schultern. Abgeordnete, Beamte und Gutverdienende müssen sich nicht daran beteiligen, die solidarische Krankenversicherung zu erhalten. Manchen wird dies sogar unnötig erschwert. Beamte werden durch das bestehende Beihilferecht praktisch in die private Krankenversicherung ge­zwungen.

Stellen wir uns einmal vor, einkommensstarke Menschen würden nichts zur Finanzierung von Schulen, Kindergärten, Universitäten, Theatern oder Straßen beitragen. Das wäre absurd. Bei der Krankenversicherung leisten wir uns dies. Das ist nicht nur ungerecht. Es führt auch zu Fehlanreizen in der Versorgung mit dem Ergebnis, dass es in Stadtteilen mit vielen Problemlagen wenig Privatversicherte, weniger Ärztinnen und Ärzte gibt, als dies für eine gute wohnortnahe Versorgung notwendig ist. In Bremen sehen wir, dass es in Gröpelingen und Bremen-Nord einen Mangel an Haus- und Kinderärzten gibt. Da Armut krank macht und Krankheit arm, braucht es in diesen Stadtteilen aber mehr und nicht weniger Ärzte als im Durchschnitt.

In einer Bürgerversicherung tragen alle Bürgerinnen und Bürger nach ihren finanziellen Möglichkeiten zur Finanzierung der Krankenversicherung bei. Es entsteht mehr Wahlfreiheit, Solidarität und gleichzeitig ein vernünftiger Wettbewerb. Versicherte könnten sich die Versicherung aussuchen, die am besten zu ihnen passt. Und wenn das Angebot nicht mehr stimmt, diese auch wieder wechseln.

Alle Versicherten wären gut versorgt. Niemand müsste bei Krankheit oder im Alter unbezahlbare Beiträge oder eine schlechtere Versorgung befürchten. Die privaten Versicherungen würden nicht abgeschafft. Statt sich aber wie heute mit den Jungen, Gesunden und Einkommensstarken die Rosinen herauszupicken, müssten sie sich einem echten Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen stellen.

Ein solcher Systemwechsel gelingt nicht von heute auf morgen. Es ist jedoch höchste Zeit, ideologisch abzurüsten und pragmatisch Schritte zu diskutieren, wie die Krankenversicherung im Interesse aller Versicherten gerechter umgestaltet werden kann.

Unsere Gastautorin

hat nach dem Studium der Humanmedizin als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie gearbeitet. Von 2011 bis 2017 war sie Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, seit September 2017 sitzt sie für die Grünen im Bundestag.

(Erschienen im Weser Kurier vom 29.01.2018, S. 2)

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