Zum Scheitern der Sondierungsgespräche, 20.11.2017

Liebe Freundinnen und Freunde,

als ich heute Morgen um 5:30 Uhr aufwachte, damit ich den Frühzug nach Berlin bekomme, war das ein böses Erwachen. Die FDP hatte genau in dem Moment den Verhandlungstisch verlassen, als eine Einigung in den Sondierungen in Sicht war. Damit hat Lindner bewiesen, dass er offensichtlich tierische Angst vor Regierungsverantwortung hat und keinesfalls Verantwortung übernehmen wollte. Er zwingt einem ganzen Land seinen Ego-Trip auf – ich finde das verantwortungslos! Die FDP hat die CSU immer wieder rechts überholt. Am Ende ging es für die FDP aber nicht um Inhalte – vielleicht schon von Anfang an nicht -, sie wollten offensichtlich einfach raus aus den Verhandlungen, raus aus der Verantwortung.

Unsere 14 SondiererInnen haben für grüne Inhalte Tag und Nacht, inhaltsstark und geschlossen gekämpft. Wir haben mit den besseren Argumenten gestritten für konsequenten Klimaschutz, die Agrar- und Verkehrswende, Humanität und ein solidarisches Europa! Ich war während der Sondierungen immer wieder fassungslos über die CSU und die FDP. Sowohl wegen des immer wieder respektlosen und pubertierenden Verhaltens von deren Protagonisten, als auch wegen der mangelhaften Sachkenntnis und der Weigerung Fakten anzuerkennen. Unsere 14er-Gruppe hat die ganze Zeit unsere Punkte sehr klar vertreten. Sie war dabei immer angemessen zum Kompromiss bereit. Manche Kompromisse taten vielen von euch und auch mir richtig weh. Und dennoch fand ich es richtig, kompromissfähig zu sein. Denn wir hätten auch viel bekommen, wenn es doch zu einer Koalition gekommen wäre: allen voran klare Vereinbarungen zum Kohleausstieg. Gestern Nacht schien eine Einigung in greifbarer Nähe, sogar mit der CSU, die in den Wochen zuvor drohte, die Sondierungsgespräche wegen einer Landtagswahl platzen zu lassen. Umso schlimmer ist es, dass die FDP offenbar aus reinem politischem Kalkül den Verhandlungstisch verlassen hat.

Nun sind wir aufgewacht in einer politisch instabilen Situation, die so niemand will. Wir können trotzdem erhobenen Hauptes in die Zukunft blicken. Bei aller Kompromissbereitschaft ist über die gesamte Verhandlungszeit stets deutlich geblieben, wofür wir Grüne stehen: für Klimaschutz, der einen konkreten Plan zur Abschaltung der Kohlekraftwerke beinhaltet, für ein Asylrecht, das von Humanität geprägt ist, für umfassende Gerechtigkeit und für ein solidarisches Europa. Zudem haben wir in vielen Bereichen, die nicht so stark im Fokus standen wie die großen Blöcke, einen Plan für die Zukunft erarbeitet. So liegen durch uns Grüne Konzepte auf dem Tisch zum Beispiel für eine Stärkung der Geburtshilfe durch eine Besserstellung von Hebammen, sowie mehr und anständig bezahltes Pflegepersonal und für die Schulgeldfreiheit für die therapeutischen Gesundheitsfachberufe. Diese Konzepte wollen wir umsetzen!

Im Bundestag können wir mit der Sacharbeit beginnen und die drängenden Themen auf die Tagesordnung bringen – und das werden wir auch tun!

In den letzten Stunden wurde die Möglichkeit einer Minderheitsregierung diskutiert. Ob so eine politische Kultur nach skandinavischem Vorbild im Deutschen Bundestag mit dem aktuellen Gefüge möglich ist, ist im Moment schwer zu beurteilen. Die SPD ist jedenfalls angeschlagen und sitzt in der Rückzugsecke, die FDP hat gerade ihren Unwillen zur Verantwortungsübernahme bewiesen, die CSU interessiert sich mehr für den internen Machtkampf und die AfD wird ohnehin versuchen, menschenfeindliche Positionen unter dem Deckmantel der Bürgerlichkeit mehrheitsfähig zu machen.

Ansonsten stehen, wenn die SPD bei ihrem „Nein“ zu einer Regierungsbeteiligung bleibt, Neuwahlen an. Auch diese Perspektive wirft viele Fragezeichen auf. Die gleichen Parteien werden mit ihren Programmen und vermutlich überwiegend dem gleichen Personal in einem Winterwahlkampf im Schnellverfahren ein möglicherweise ähnliches Wahlergebnis wie im September erzielen. Dann ginge die ganze Chose von vorne los. Noch schlimmer wäre es, wenn es einen weiteren Rechtsruck gäbe. Falls es tatsächlich zu Neuwahlen kommt, nehmen wir natürlich auch diese Herausforderung mit Kampfesgeist und Zuversicht an!

Um eine komplette Lähmung des politischen Betriebs zu verhindern, ist es wichtig, dass wir ab sofort, egal wie die Situation sich weiter entwickelt, unsere Inhalte weiter nach vorne bringen und auch parlamentarisch anstoßen. Dafür werde ich in den kommenden Monaten arbeiten. Eine gesellschaftliche Mehrheit haben wir hinter uns, beim Kohleausstieg, für die Stärkung der Pflege, für eine gute Integration und eine humanen Umgang mit Geflüchteten. Übrigens auch für die Freigabe von Cannabis. Es ist völlig klar geworden: Grüne sind notwendig, ohne uns wird das nichts. Die Mär, die grünen Themen würden inzwischen von allen vertreten, hat sich nun endgültig und eindrucksvoll als falsch erwiesen. Nur mit uns Grünen wird es den Kohleausstieg, die Verkehrswende, die Agrarwende, Humanität, Gerechtigkeit und ein solidarisches Europa geben. Nur wir haben diese Punkte stark gemacht und nur durch uns werden diese Themen weiter im Fokus bleiben.

Ich weiß heute nicht, wie es jetzt weiter geht. Klar aber ist: was auch kommt, ich werde weiter mit euch für Gerechtigkeit, Humanität, ein solidarisches Europa und klar für Klimaschutz kämpfen!

Herzliche Grüße,

Eure Kirsten

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